Gründe für die Flucht eritreischer Flüchtlinge sowie Lösungsvorschläge

2015-06-19 09:29:42 Written by  EPDP Information Office Published in EPDP Editorial Read 4872 times

Eritrea ist ein kleines Land mit schätzungsweise 6 Millionen Einwohnern auf 120000 Quadratkilometern. Als Staat wurde es vor 124 Jahren durch die italienische Besatzungsmacht gegründet. Die Bevölkerung besteht aus neun Ethnien und Sprachgruppen, mehrheitlich Bauern, nomadische Viehhirten und Fischer.

Eritrea wurde nacheinander durch Italien, Großbritannien und Äthiopien kolonialisiert und beherrscht. Der Widerstand des eritreischen Volkes gegen die Kolonialherren nahm viele Formen an, friedlich und bewaffnet. 1991 wurde Eritrea unabhängig nach einem 30-jährigen bewaffneten Kampf (1961 -1991) gegen die äthiopische Besatzung. Es wurde ein souveräner Staat auf Grund einer international anerkannten Volksabstimmung.

Wie wir alle wissen, sind Naturkatastrophen, Kriege, Armut, schlechtes Regieren und Korruption die wesentlichen Gründe für der Entstehung von Flüchtlingsströmen.

Die erste Flüchtlingswelle aus Eritrea

1967 begannen Eritreer in großer Zahl aus ihrem Land zu fliehen. Damals begann die äthiopische Arme im Rahmen ihrer Politik der verbrannten Erde damit, ganze Dörfer im eritreischen Tiefland zu bombardieren und niederzubrennen, wo die Eritreische Befreiungsfront (ELF) kämpfte. Die Flüchtlinge waren zumeist Moslems aus dem Tiefland, aber auch einige aus dem Hochland. Diese erste Flüchtlingsgruppe nahm Zuflucht im Sudan.

Die 2. Flüchtlingswelle

1974 wurde Kaiser Haile Selassie durch eine Militärjunta, die Derg, abgesetzt. Dies Junta führte mehrere Terror-Feldzüge gegen das Volk von Eritrea durch und verstärkte ihre Angriffe auf die eritreischen Befreiungsbewegungen ELF und EPLF. In Folge dessen waren viele Eritreer gezwungen, aus ihrem Land zu fliehen – in den Sudan, den mittleren Osten und sogar nach Europa oder Nordamerika.

Die 4. Flüchtlingswelle

Die Welle entstand nach dem Grenzkrieg zwischen Eritrea und Äthiopien 1998 -2000. Und bis jetzt ist kein Ende abzusehen. Die Hauptursache für diese Fluchtwelle ist der Umstand, dass die Dauer des nationalen Arbeitsdienstes nicht begrenzt ist. Ursprünglich sollte dieser Dienst für alle 18 – 40 Jahre alten Eritreer 18 Monate dauern.

Der Großteil dieser 4. Welle besteht aus Jugendlichen, von denen die Mehrheit unter 25 Jahre alt ist. Der Hauptgrund für ihre Flucht besteht darin, dass sie gegen diesen unbegrenzten Arbeitsdienst opponieren und auch gegen die flagrante Verletzung ihrer Menschenrechte durch die Einmann-Diktatur in Eritrea.

Nach UN-Angaben sind im Sudan 300.000 eritreische Flüchtlinge registriert. Zusätzlich halten sich viele bei ihren Verwandten oder Landsleuten auf, ohne zuvor in einem Flüchtlingslager gewesen zu sein. In Äthiopischen Flüchtlingszentren halten sich etwa 150.000 eritreische Flüchtlinge auf.

Laut UNHCR-Schätzungen überschreiten monatlich nicht weniger als 3.000 eritreische Flüchtlinge die Grenze zum Sudan. Einige werden dabei von eritreischen Grenzwachen getötet.

Es gibt zwei Flucht-Routen:

  1. Eritrea > Sudan oder Äthiopien > Libyen > Italien
  2. Eritrea > Sudan oder Äthiopien > Ägypten/Sinai > Israel

Die zweite Route wird seit 2006 genutzt, als Italien und Libyen übereinkamen, die Fluchtwelle nach Europa einzudämmen.

Israel hält die Flüchtlinge in „Konzentrationslagern“ fest, weil die Regierung die Flüchtlinge eher als illegale Eindringlinge ansieht denn als Flüchtlinge. Außerdem hat Israel mit Drittländern in Afrika bilaterale Abkommen über die Rücksendung von Flüchtlingen vereinbart.

Schmuggler und Menschenhändler

Die Hauptgruppen, die in der Region mit Menschenschmuggel zu tun haben, sind die Rashaida im Ostsudan und die Beduinen im Sinai. Doch das Netz der Menschenhändler ist weiter verzweigt. Beteiligt sind eritreische, äthiopische, sudanesische, ägyptische Sicherheitskräfte, extremistische islamische Parteien zusammen mit Ärzten und Banden und handeln in diesem Netz mit Waffen, Drogen und menschlichen Organen.

Die Opfer werden mehrfach nacheinander an unterschiedliche Gruppen von Menschenhändlern verkauft. Jeder entführte Flüchtling muss zwischen 2.000 und 50.000 $ zahlen, damit er von seinen Entführern freigelassen wird. Um ihre Lösegeldforderungen zu verstärken, nutzen sie unterschiedliche Foltermethoden, Die Opfer werden geschlagen, man träufelt geschmolzenes Plastik auf ihre Rücken, hängt sie an der Decke auf oder vergewaltigt sie.

Wenn die Opfer Verwandte in Europa haben, dann wird erwartet, dass sie sehr viel bezahlen. Damit die Verwandten den geforderten Betrag begleichen, werden sie per Handy mit ihren gefangenen Verwandten verbunden, die gerade gefoltert werden, und können hören, wie sie leiden, und ihr Schreien, mit dem sie um Rettung vor ihren Peinigern flehen.

Wenn das Lösegeld nicht gezahlt wird, werden einigen der Entführten innere Organe entnommen und an Organhändler verkauft, oder man lässt sie unter Folter sterben.

Wenn aus irgendwelchen Gründen der Flüchtlingsstrom auf den Sinai oder nach Libyen nachlässt oder vertrocknet, entführen die Banden registrierte Leute aus den Flüchtlingslagern. Deren Schicksal wird das gleiche sein wie das ihrer Vorgänger.

Viele Flüchtlinge sterben in der Wüste und auf See an Durst, Hunger und Krankheit oder ertrinken wegen Bootsüberfüllung. Am 3. Oktober 2013 ertranken mehr als 360 Eritreer vor der italienischen Küste bei Lampedusa, eine der Tragödien, die die Welt erschüttern.

Papst Franziskus hat den 3.Oktober als Tag der Tränen und als eine Schande für die Welt bezeichnet, weil die eine solche Tragödie nicht verhindert hat. Das hat das Augenmerk vieler, auch in Italien und der EU, auf die Situation in Eritrea gelenkt.

Diese Anregung des Papstes scheint auch vier eritreische katholische Bischöfe dazu ermutigt zu haben, am 25. Mai 2014 innerhalb Eritreas eine starke pastorale Botschaft zu verkünden. Darin rufen sie alle Eritreer dazu auf, zu handeln und die Probleme zu lösen, bevor es zu spät ist. Die Botschaft zeigte die Furcht vor einem völligen Zusammenbruch der Gesellschaft binnen kurzer Zeit, wenn die Eritreer nicht reagieren und den ungeplanten Exodus der Jugend aufhalten.

Was sollte getan werden?

  1. Bis eine dauerhafte Lösung gefunden wird, müssen die eritreischen Flüchtlinge im Sudan, in Äthiopien, in Dschibuti und im Jemen in den entsprechenden Asylländern das Recht auf Bildung, Ausbildung und Beschäftigung erhalte.
  2. Es muss ein Mechanismus eingeführt werden, der dauerhaften Frieden zwischen Eritrea, Äthiopien und dem Sudan herstellt.
  3. Die Sicherheit in den Flüchtlingslagern und ihrer Umgebung muss verstärkt werden.
  1. Die an den Rand gedrängten und der Gesellschaft entfremdeten Gemeinschaften im Sudan und in Ägypten ( Rashaidas und Beduinen) sollten an ihren jeweiligen Regierungen beteiligt werden und in und die Angelegenheiten ihres Landes behandeln.
  2. Eritrea, Ägypten und der Sudan sollten ihren Kampf gegen Menschenhandel koordinieren.
  3. In den Ursprungsländern der Flüchtlingsströme müssen politische Veränderungen verwirklicht werden.

In Eritrea z.B. sollte der Rechtsstaat (eine Verfassung) etabliert werden, der nationale Arbeitsdienst sollte begrenzt oder beseitigt werden. Das politische System sollte für die Opposition geöffnet, politische Gefangene sollten freigelassen werden. Das Militär muss demobilisiert, und Arbeitsmöglichkeiten sollten geschaffen werden.

Menghesteab Asmerom

Vorsitzender der EPDP

25 Juni 2014

Last modified on Friday, 19 June 2015 11:43